ulrich berghäuser

Downhill & Marathon

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bericht 29. Marathon du Medoc 7. September 2013

der längste marathon der welt

Da gibt es einen fitzel land, er liegt ganz im westen von Frankreich.
Fast ist es eine halbinsel; der tosenden Atlantik auf der einen seite und die breite mündung der trägen Gironde auf der anderen seite.
Medoc nennt sich dieses fleckchen französischen bodens der hier fast ausschliesslich aus sand besteht.
Es gibt riesige dünen und kilometerlange sandstrände die sich im sommer mit sonnenfreunden füllen, und es gibt unendliche pinien wälder die man wunderbar mit dem fahrrad durchqueren kann.
Aber die meisten freunde auf der welt hat dieser landstrich bei weinkennern.
Auf nicht allzu grosser fläche wachsen hier die weltberühmten weine des 'Haute Medoc'.
In den leicht hügeligen weinbergen liegen unmengen von grossartigen Chateaus mit so wohlkingenden namen wie Rothschild oder Latour ...

Auch in der gemeinde der ausdauerläufer hat das gebiet eine grosse fangemeinde.
Der Marothon du Medoc zieht jährlich tausende von läufern an, und das schon im 29sten jahr (8000 finisher in 2013).

 


Gegründet wurde er von ärzten die scheinbar einen tiefen zusammenhang zwischen rotwein, dauerlauf und gesundheit entdeckt hatten.
Aber nicht nur der rote gegorene traubensaft, der in hülle und fülle während des laufes ausgeschenkt wird, sondern auch das treiben rundherum machen ihn zu einer lebenden legende.
Nichts ist hier so wie bei einem normalen Marathon. 

Das fängt damit an, das er an einem Samstag - immer anfang September - ausgetragen wird.
Folglich werden die startnummern bereits am Freitag abgeholt, und pastaparties finden auch schon am Freitag abend statt.
Es steht also eine art volksfest wochenende rund um wein, essen und - so ganz nebenbei - einem Marathon ins haus.



Die anreise. eine woche vorher, mit unserem micro camper verlief störungsfrei - 10 stunden für über 1000km auf guten autobahnen.
Nach tagen des ausgiebigen sonnenbadens im Ozean bei über 30°C trudelten wir gut erholt in Pauillac ein.
Das wir keinen platz auf dem offiziellen Campingplatz mehr bekamen war ganz und gar nicht schlimm.
Alle grünflächen des ortes waren mit campern belagert die das komplette wochenende hier zelteten und feierten (WC - und duschkontainer stehen bei der Tourist-Info bereit).
Da kam fast schon festival atmosphäre auf.



Schon im vorfeld kann man sich für diverse abendpogramme entscheiden. Mehrgänge menue auf einem Chateau oder pastaparty etc.
Wir hatten die “Pâtes-à-Caisse” gewählt - ohne freilich zu wissen was auf uns zukam.
Der bustransfer nach St. Estephere klappte irgendwie. Dort wurden wir von damen in silbernen ganzkörperkondomen und grünem haar empfangen - standesgemäss mit einem grünen aperetiv aus minze und weisswein.
Ab jetzt ist klar: Das motto dieses jahr heisst 'Sience Fiction'. So schwänzelten und tanzten auch einige Avatars umher und verteilten die getränke.
Dazu gab es einen sehr sehr harten grunge rock von einer life band, die wohl nicht jedermann toll fand.
Beim einlass in den 'Sale des Fetes' erwarten uns 3 ausgaben von pasta, vor.- und nachspeisen, und auf den langen reihen von tischen stehen je zwei flaschen von wasser und rotwein.
Sollte dann eine flasche leer sein, so reicht man sie durch an den rand und bekommt prompt eine neue - verdursten sollte heute also niemand.
Als dann eine sängerin den unterhaltungsteil des abends eröffnet ist schnell klar was hier passiert.
Nach drei liedern tanzt der gesamte saal auf den tischen, polka, polonese das ganze repertuar - und das sollte den ganzen abend so weitergehen.
Erst nach 23:00 ging unser bus zurück nach Pauillac.



Am marathon morgen was es dann bedeckt sodass mit keiner hitzeschlacht zu rechnen war - mir war das recht. Keine 100 meter waren es vom camper bis zum startbogen.
Und ja, es stimmt: 90% aller läufer sind verkleidet. Überall werden die kostüme zurecht gerückt und schminke aufgetragen.
Unmöglich all die supermänner, avantars und grüne männchen aufzuzählen, und bei manchen frage ich mich ernsthaft wie man das 42km weit tragen soll.
Über dem bunten startpulk schweben 3 ausserirdische damen an riesigen ballons. Gänsehaut pur.
Der start im konfettiregen geht freilich nur im schrittempo. Auch beim ersten weingut, dem 'Grand-Puy-Lacoste' nach 2 km staut es sich wieder.
Aber das ist hier und heute völlige nebensache. Bunte lustige menschen, grüne weinberge und romantische schlösser - das ist thema.





Und was für eins. Da wird mit schwimmflossen, Rettungsring und gummiente gelaufen, als riesige silberne penisse verkleidet, oder als rundum verkabelte zukunftsmenschen.
Unterwegs wird getanzt und gefeiert als wäre man schon am ziel.
Und erst die schlösser. Gekieste weite auffahrten gesäumt von baumaleen. 





Weite parks mit seen und sichtfluchten zu den schössern mit turm und türmchen und bögen und weiten innenhöfen.
Und dort in den herzen der Chateaus auf altem kopfsteinpflaster stehen die reihen mit tischen auf denen der kostbare wein an die läufer ausgeschenkt wird.
Manchmal tut es ein plastikbecher, ein andermal wird im stilvollen kelch serviert.
Zugegeben, ich habe von allen becherchen getrunken - manchmal sogar einen nachschlag genommen, aber welcher jetzt der beste war bin ich nicht mehr in der lage nachzuvollziehen
Oder doch. Chateau Pichon Longueville bei km 18 ist mit seinem prächtigen ambiente und einem sehr leckeren wein ist in erinnerung geblieben.
Ebenso das Chateau Phelan-Segur in Estehere bei km 35 wegen des weines und der tollen aussicht über die weinberge.



Ab hier ging es dann auch schon hinunter an das ufer der Gironde wo auf dem landsträsschen die letzten gourmet kilometer zu absolvieren waren.
Highlight hier der Austernstand vom Cap Ferret. Riesige platten salziger und saurer muscheln lagen bereit, frisch geknackt von einem urigen franzosen.
Dazu natürlich frischer weisswein - so muss das! Solchermassen erfrischt geht der weg ins ziel wie im flug.
Und schon taucht der ellenlange rote teppich auf, und schon bin ich im ziel.



Schon ? Naja, 5:13 stunden - ist halt der 'marathon des toute longe de monde', der längste marathon der welt. Da muss man halt auch ein bisschen mehr an zeit einplanen ;-))
Eine schöne flasche wein im holzkistchen, einen kleinen rucksack und ein funktionshirt gibts als present obendrein.
Normalerweise begeben sich die finisher gleich zur dusche und ziehen sich baldigst um.
Nicht so hier. Es lockt eine wein- und gourmestrasse zum verweilen und bleiben.



Selbst am späten nachmittag wird hier noch in laufmontur - also in verkleidung - gebechert und gefeiert was das zeug hält.
Selbst am abend ist nicht schluss. Da wird ausgiebig zu einer schowband getanzt und erst das nächtliche feuerwerk beendet den tag.
Ich, als normalerweise eher ernsthafter läufer bin wirklich begeistert von diesem marathon und würde ihn jerzeit wieder laufen.
Und ein tip von mir: Die strecke lässt sich auch perfekt als halber laufen, in einem jahr die ersten 21 und im zweiten den rest.
So erspart man sich viel training und kann sich noch mehr auf das vergnügen konzentrieren.
Wer braucht denn schon eine zeit, und das finisherpaket gibts nach der zweiten schleife als zugabe.



Zum relexen bietet sich der nahe atlantik an wo man zu dieser jahreszeit die enslosen dünen und strände fast für sich alleine hat.
Noch ein tip zur anreise. Zur zeit fliegt niemand von Deutschland direkt nach Bordeaux (geht alles über Paris). Aber von Strassburg gibt es direktflüge !

 
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