ulrich berghäuser

Downhill & Marathon

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Bericht 32. Budapest Marathon 15.Oktober 2017

Marathon goes East

Ungarn und seine Hauptstadt Budapest. Was ist das für ein Land, was ist das für eine Stadt?
In meiner Jugend lag das alles im Ostblock. Hinter dem Eisernen Vorhang. Aber Ungarn war eher das etwas wohlhabende sozialistische Land. Ich erinnere mich dass unsere Bekannten aus der DDR nach Ungarn zum Plattensee reisen durften und sich dort mit den Wessies trafen um gemeinsam Urlaub zu machen. Das war zu Trabbi und Wartburg Zeiten so Gang und Gäbe.
Bis 1989. Da bröckelten die Grenzanlagen von Ungarn in den Westen – das Parlament beschloss deren Abbau und leitete damit indirekt auch den späteren  Fall der Berliner Mauer ein.  In genau diesem Parlament wird allerdings 2015 beschlossen neue Grenzanlagen zu errichten – gegen Serbien.
Wie verrückt ist das?

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Nun, da ich die drei Marathon Perlen am Mittelmeer: Barcelona, Valencia und Nizza-Cannes schon abgelaufen bin muss mal wieder etwas anders her. Da kommt Budapest gerade recht. Eine angesagte Hauptstadt, nicht so teuer aber mit über 1000 jähriger Kultur. Und ein Marathon der sich ohne große Komplikationen auch zu einem 30km Lauf umbuchen lässt. Man storniert die 42,2km die eh nur 60€ kosten und erhält das Geld zurück, bucht dann einfach die kürzere Distanz – und steigt 12 km später ein. Das nenn ich mal kundenfreundlich.
In Wirklichkeit habe ich diesen Notausgang aber gar nicht benötigt. Ich hatte ein gutes Training ohne heftige Intervalle. Dafür mehr Regeneration und Dehnübungen. Alle wichtigen Einheiten wie einen Halbmarathon und lange Läufe über 32km durften natürlich nicht fehlen. Da ich keine körperlichen Beschwerden während der Trainingsphase bekam und einen super Halben hingelegt habe war ich zuversichtlich dass ich dieses Mal gut über die volle Distanz komme.
Budapest kommt ganz ohne bezahlte Spitzenläufer aus. Es handelt sich um eine echte Volksveranstaltung. 


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Schon samstags finden Kinder- und Familienläufe statt. Sonntags dann parallel zum Hauptevent auch noch ein 10km Lauf durch die Stadt (mehr als 4000 Teilnehmer), während der Marathon  überwiegend die Donau hoch und runter führt.
Einfliegen samstagmorgens. Mit dem Bus 100E ins Zentrum. Kleines Frühstück in der Sonne. Unser Handgepäck kurz in unserer per Internet gebuchter Wohnung abgegeben und ab zur Startnummernausgabe am Stadtpark. Hier großes Remmi Demmi. Kinderläufe, Musik, Lautsprecher und Luftballons – das volle Programm. Die Ausgabe findet in einem Zelt statt. Alles klappt prima. Kein Champion Chip sondern Zeitnahme in der Startnummer. Auch gut.


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Für mich sehenswert das moderne Denkmal zum Volksaufstand 1956, der von sowjetischen Panzern niedergerollt wurde. Tausende von rostigen Stahlsäulen formieren sich zu einer gewaltigen Spitze eines Dreiecks. Was für einen Gegensatz zu den tausenden Denkmälern die in jeder Ecke dieser Stadt stehen, und von Helden zeugen.  Zum Beispiel gleich um die Ecke das Monumentaldenkmal „Heldenplatz“ von 1896, das zur Feier des tausendjährigen Reiches errichtet wurde. Sicher war das die Blütezeit Budapests. Man konkurrierte schließlich mit London und Paris. Fast alle Baudenkmäler stammen aus dieser Epoche.
Unsere Wohnung liegt direkt hinter der Synagoge, die größte in Europa, im jüdischen Viertel das heute so hip ist wie der Prenzlauer Berg in Berlin. Hier gibt es auch unsere private Pasta Party. Gleich zweimal kehren wir in dem hübschen kleinen und sehr leckeren  Restaurant ‚Pasta Bella‘ gleich vor der Synagoge ein. 


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Morgens Kaffe und zwei Honigbrote und schon geht’s los mit dem Oberleitungsbus in Richtung Stadtpark. Zeit genug haben wir – Start ist erst um 9:30Uhr. Alles ganz relaxed im Park: nochmals auf‘s Toi und Sonnencreme nicht vergessen. Schon am Morgen deutet sich an, das die Herbstsonne nochmals alles geben wird. Ein bisschen Gedränge am Start gibt’s dann doch noch, als ich erst 10 Minuten vor dem Start in meinen Startblock will. Die Zeiten an den Eingängen sind keine Zielzeiten sondern die angestrebten Zeiten für den km:  5:30-6:00 min/km Zone 4. Passt!


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9 Minuten dauert es schließlich bis sich der Läufertross in Bewegung setzt. Nach der Umrundung des Heldenplatzes geht es schnurgerade 3km gen Westen auf einem großen Boulevard. Klar, dass diese Straße und die darunter verkehrende erste elektrische U-Bahn Europas aus dem Millennium Jahr 1896 stammt.
Nach 3 km erreichen wir, leicht bergab der Donau entgegen,  die Kettenbrücke, eine Ingenieurs Meisterleistung von 1849. Direkt vor uns am anderen Ufer ragt der Burgberg vor uns auf.
Nur die Grundmauern stammen noch von der einstigen Burg, der Rest ist nun ein riesiger Palast, den die Habsburger um 1700 begannen. Diesen werden wir nun umrunden um dann durch einen Tunnel von 1856 wieder auf die Kettenbrücke zuzulaufen. Doch wir bleiben auf dieser Seite der Donau und es wird klar was da auf uns zukommt. Wir laufen auf der unteren Straße direkt der Sonne entgegen nach Süden. Links die sonnenspiegelnde Donau, dann der schwarzer Asphalt eingehaust durch eine meterhohe Ufermauer. Ein Backofen per excellance. Dieses Scenario wird uns auf zig Kilometer runter und hoch und runter und hoch der Donau begleiten.


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Nach einem Wendepunkt geht’s jetzt aber erst mal rauf auf die schönste aller Budapester Brücken, die Freiheitsbrücke von 1896. Sie spannt sich in grün gestrichenem Eisen majestätisch vom Gellert Thermalbad Bad (1918) zur großen Markthalle (1897). Km 10 ist dort überschritten und wir rumpeln auf Kopfsteinpflaster zum nächsten Wendepunkt, der uns wieder in den Brutkasten der Donauuferstraße bringt. Diesmal aber mit der Sonne im Rücken. Gut 5 km läuft das so. Wieder vorbei an all den bedeutenden Brücken um dann am Parlamentsgebäude (1885-1902) vorbei, das irgendwie einen Hauch von Venedig versprüht. 


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Über die Magarethenbrücke (1876) biegen wir dann auf die gleichnamige Insel in der Donau ab. Dort empfängt uns eine Fontaine mit ihrem tollen Wasserspiel  und – kaum zu glauben – Schatten von uralten Platanen mitten in einem grünen Park. 3 km können wir das genießen, um dann erneut eine Brücke, die ehemalige Stalin Brücke, zu überqueren.  Leider gibt es hier Autoverkehr auf der Gegenspur was auch ein weiterer Teil der Strecke so bleibt.

 

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Die Hälfte haben wir nun gemeistert. Ich liege gut in Schnitt und fühle mich auch noch gut – die Fotos, die ich später sehen werde, zeigen aber ein anders Bild von mir. Und jetzt geht es erst richtig  los. 10km im Schwitzkasten der Sonne entgegen,  immer zwischen Donau der Ufermauer entlang. Die Versorgungstellen sind eher unregelmäßig aber so ca. alle 5 km taucht eine auf. Zuerst gibt es zwei Tische mit Wasser, dann Bananen, Isogetränke etc. etc. und am Ende nochmals zwei Tische mit Wasser aus kleinen Plastikbechern. Ich nehme so viel Wasser wie ich greifen kann, trinke ein, zwei Schluck und gieße mir den Rest über den Kopf. 


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Kerstin steht hinter der Kettenbrücke. Ich suche sie dummerweise auf der falschen Seite. Zum Glück hält sie eine Wasserflasche für mich bereit. In 10 km werden wir uns auf dem anderen Ufer der Donau nochmals sehen. Ich freue mich schon jetzt auf die Extraportion Nass. Bis zum Wendepunkt im Süden habe ich noch 5 km, dann geht es wieder hoch zur Friedensbrücke. Na ja, das hab ich ja schon mal hinter mich gebracht. Die langen Schatten auf dem Asphalt sehen lustig aus, und die tausenden weißen Plastikbecher darauf auch. Gut das die Sonne wieder im Rücken steht. Ich treffe Kerstin wieder, sie hat mich kaum gesehen wegen des Gegenlichtes. Ich genieße erneut die Extraration Wasser. Noch 7 lange Kilometer in Richtung Pest. Es geht leicht bergauf. Ich werde langsamer aber nicht lahm. Die letzte Brücke, die sechste,  tut nochmal richtig weh. Sie geht über die Eisenbahn beim Westbahnhof, ein Ingenieurskunststück, errichtet 1877 vom Büro Eiffel. Ah ja, da war doch was mit so einem Turm in Paris …
Zweimal hole ich mir einen Becher Cola. Das gönne ich mir. Leider kann man die nicht im Laufen trinken ohne sich total einzusauen, also muss ich zwei kurze Pausen in Kauf nehmen. Klar laufe ich jetzt keine 5:30min/km mehr, aber unter 6:00 bleibe ich schon. Am Anfang hatte ich schon die 4:15 Stunden Zielzeitläufer überholt, und die 4:00 mussten auch dran glauben. Solange die noch hinter mir sind ist alles in trockenen Tüchern. Km 40 ist beim Heldenplatz erreicht. Jetzt nur noch 2,2 km durch den Stadtpark joggen ;-)) Da ist die Zielgerade 3:54 steht auf meiner Uhr! Ja – es geht doch noch!


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Im Ziel gibt es eine riesige Medaille um den Hals gehängt. Ein schönes Funktionshirt gab es ja schon bei der Anmeldung. Sonst brauche ich eigentlich nichts. Außer ein ‚nachher‘ Foto zwischen den Stahlsäulen des Denkmals, und ein Bier aus dem Kühlschrank, das ich mir nach 89 Stufen in den 3.Stock aus dem Kühlschrank hole.

Bekannt ist Budapest wegen seiner vielen Thermalquellen. Was liegt also näher als sich nach dem Lauf im heißen Wasser zu aalen. Wir suchten uns die Rudas Therme  aus, wo wir im über 500 Jahre alten Türkischen Bad unter einem  faszinierenden Kuppelgewölbe in Becken mit 5 verschiedenen bei Temperaturen bis zu 42°C heißem Heilwasser entspannten.


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Klar hat die Stadt jede Menge Sehenswürdigkeiten zu bieten. So blieben wir noch 2 volle Tage um bei sonnigem Herbstwetter die Gegend zu Fuß zu erkunden. Burgpalast, Matthiaskirche und Fischerbastei durften natürlich nicht fehlen. Der Blick auf die Donau und die Stadt von hier oben ist toll.  Abseits des Touristenrummel, auf der Rückseite des Berges,  am Holzpavillon der ‚Bastya Terasz‘,  genossen wir die Ruhe, die Abendsonne und den leckeren ungarischen Sekt.


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Am nächsten Tag, über die große Markthalle und die Freiheitsbrücke (die schon wieder) hinüber, zum Gellertberg. Ein lohnender romantischer aber schweißtreibender Aufstieg mit tollen Ausblicken. Freiheits- und St. Gellert Denkmal gibt’s gleich mit dabei. 


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Auch die Margareteninsel lohnt einen Besuch. Ein total entspannter englischer Garten mit 10000 Platanen in geleisender Herbstsonne, Weltkulturerbe Wasserturm und Dominikanerkloster Ruinen aus dem 12. Jahrhundert, und  wer will kann ja noch mal ein paar Kilometer auf der extra angelegten Jogging Runde drehen.
Wir aber fahren zurück mit dem öffentlichen Linienboot entlang des Parlamentes, durch alle schon erwähnten Brücken. Die orangene Abendsonne verabschiedet sich hinter dem Burgberg von uns, und wir uns von Budapest.


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Mit 5400 Finishern  ist Budapest sicher kein großer Lauf, doch mit den 1200 Dreißig km Läufern  und den 1500 Staffeln war die Laufstrecke immer angenehm gefüllt. Niemand musste alleine laufen.
Die schnellsten 5 waren alle aus Budapest, mit einer Siegzeit von 2:20:21. Deutschland war nur mit genau 120 Teilnehmern vertreten. Die Ergebnislisten sind etwas gewöhnungsbedürftig, da keine Suchfunktion nach Altersklassen existiert.
Außer 5km und Halbmarathon gibt es keine Zwischenzeiten. Und die Altersklassen sind nicht nach Jahrgang sondern nach Geburtstag eingeteilt. So war ich hier noch in der M55, nach unserem Standard wäre ich aber schon M60. Bereinigt käme ich also auf  Platz 18 von 106 M60 Finishern. 
Bilder vom Zieleinlauf und Urkunde kann man sich später kostenlos herunterladen. Die Fotos von der Strecke kosten lediglich 2,30€ was ein super Schnäppchen ist, verglichen zu den 7 - 8 € bei unseren Veranstaltungen.

Weitere Infos:
homepage: https://marathon.runinbudapest.com
laufbericht: http://www.marathon4you.de/laufberichte/budapest-marathon/neu-auf-der-empfehlungsliste/3496

 

 

 
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